Pfarrerskinder 2:
Alexander Rudolph, der Pfarrer
Als Alexander Rudolph am 10. Januar 1642 als zweites Kind des Pfarrerehepaars Johann Georg Wolffhart /Anna Burckhart geboren wurde, war die Zeit im Kraichgau wohl etwas weniger kriegerisch, denn immerhin konnte Pfarrer Rabus es wagen, von der Ravensburg auf den Steinsberg zu kommen, um den Knirps seines Amtsbruders zu taufen. Aber der Krieg war noch keineswegs zu Ende.
Auf der Burg hielt sich in diesem Winter eine illustre Gesellschaft auf: Taufpaten waren lauter Hochwohledelgeborene: Ein Junker von „Catzen-Erlenbogen“ (wohl Katzenelnbogen) (1) und eine Margaretha Knöblerin, die eine geboren Landschadin war, beides bekannte Adelsdynastien.
Seine Kindheit verbrachte Alexander Rudolph zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Hans Georg dann auch auf der relativ sicheren Burg Steinsberg. Es darf angenommen werden, dass Vater Johann Georg den beiden Buben einen ersten Unterricht in Lesen, Schreiben, elementarem Latein und Rechnen gab.
Die Randbemerkung neben Alexander Rudolphs Geburtseintrag lässt deutlich spüren, dass dieser Sohn der Stolz seines Vaters war. Ausdrücklich hebt er hervor, dass Alexander Rudolph im Magisterexamen Viertbester von 26 Kandidaten war.
„Nachdem er zwey jahr zu Neuenbürg vicarirt, ist Er Anno 1667 nach Klever Sultzbach bey Neüenstatt an der großen Linde zur Pfarr daselbst promovirt worden.“ (2) So setzt Vater Georg Johann seine Randbemerkung fort.
Während seiner Vikarszeit übernahm Alexander Rudolph die Patenschaft seines Neffen Philipp in Dühren, und in Cleversulzbach fand er seine Liebste, Agnes Margreth Heermännin aus Öhringen, Tochter des verstorbenen Stadtpfarrers Georg Heermann. Noch 1667 verlobte sich das Paar und heiratete am 2. Juli des gleichen Jahres in Dühren. Georg Johann ließ es sich nicht nehmen, seinen Sohn zu trauen. Es freute ihn wohl sehr, dass sein zweiter Sohn der Familientradition gefolgt war und eine Pfarrerstochter geehelicht hatte, wo doch der Bruder ganz unstandesgemäß ein Mädchen aus einer Täufersippe geheiratet hatte, und das auch noch in ziemlich jugendlichem Alter!
1674 übernahm Alexander Rudoph die Gemeinde Ottmarsheim. Er war nun 32 Jahre alt, konnte also als junger Pfarrer gelten. Der Beginn seiner Dienstzeit fiel in jene Jahre, in denen die Freiherren von Liebenstein ihre Besitzungen im Bottwartal an Württemberg verkauft hatten (1673). Die Untertanen von Ottmarsheim waren also plötzlich Württemberger geworden, allerdings war ihnen die Erhaltung der von den Liebensteinern eingeführten Augsburgischen Konfession zugesagt worden. Aber eine neue Herrschaft – ein etwas anderes Luthertum – da heißt es aufpassen! Über die ersten Jahre ist über Alexander Rudolphs Tätigkeit in der kleinen Gemeinde nichts überliefert. Aber 1681 kam es zu einem Eklat. In einem Brief an den Herzog beschwert sich die Gemeinde, dass „der Jetzmalige Pfarrer Alhier M: Alexander Rudolf Wolfarth, Verwichenen Freitag auf der Cantzel bey Versambleter Christlich Gemeind aus allzu-hützigem und Übereultem Zornigem Effect … höchst anzügige und zu Hertzen tringende Verbal Injurias In gehaltener Predig auszustoßen sich nicht entblödet“ (3). Dem Anschreiben an den Herzog war eine Anlage beigefügt, die die Injurien und Beleidigungen des Pfarrers enthielt. Leider ist diese Anlage nicht mehr vorhanden. So ist nicht mehr zu erfahren, was die Ottmarsheimer so sehr aufgeregt hat und ob das geforderte Disziplinarverfahren gegen ihn stattfand. Aber anscheinend haben sich die Gemüter bald wieder beruhigt.
Von 1686 liegen Notizen vor, die auf eine Krise in seiner Tätigkeit hindeuten. Möglicherweise hatten er und seine Frau gesundheitliche Probleme, denn er weist wiederholt darauf hin, dass im Winter beide die langen Gottesdienste in der kalten Kirche nicht durchstehen könnten. Vielleicht war es aber auch die Belastung, die als zu stark empfunden wurde. Er wehrt sich dagegen, dass er an Freitagen, Feiertagen und Bußtagen in Liebenstein (4) Gottesdienste halten soll, wo doch sein „… Anteceßor (=Vorgänger) außer den Sontägen nur aus Heflichkeit geprediget …“ (5) und bittet dringend um Entlastung durch einen Vikar, den er aus eigener Tasche bezahlen würde. Vielleicht kamen auch Probleme mit seinen Kindern hinzu, denn er erwähnt einige Zeilen weiter, dass sie „… schlechte Information in Ihren Christenthum genießen …“. Da könne der Vikar doch dazu beitragen, dass „… Ich sambt den meinigen in geistlicher Übung unß täglich zu unserer Seelen Heil und Wohlfahrt erbawen und meine Kinder auch die nöthige Information in Ihrem Christenthum faßten und darin recht fundirt werden möchten.“ (6) Denkbar ist auch, dass er in dem Briefentwurf alles Negative aufgezählt hat, um die Notwendigkeit eines Vikars zu begründen.
Trotz der in diesem Dokument anklingenden Frustration betätigte Alexander Rudolph sich in Ottmarsheim auch noch in Handelsgeschäften (7). Er besuchte 1686 auch die Verwandtschaft in Dühren und übernahm eine Patenschaft bei dem Sohn seiner Schwester Anna Dorothea, verheiratete Brenz. Der Täufling erhielt den Namen seines Paten, wurde allerdings nur zwei Jahre alt. Den Kontakt zum Kraichgau hatte Alexander Rudolph jedoch auch schon vorher gepflegt: Während seines Vikariats in Neuenbürg hatte er die Patenschaft bei Philipp, einem Sohn seines Bruders übernommen. 1669, ein Jahr vor dem Tod seines Vaters hatte er seine Schwester Anna Dorothea mit Hans Melchior Brenz getraut und war dazu aus Cleversulzbach angereist.
Im Gefolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 bis 1697) drangen die französischen Truppen bis nach Ostwürttemberg vor um das Aufmarschgebiet für die kaiserliche Armee zu verwüsten und plünderten 1793 auch das kleine Ottmarsheim. Alexander Rudolph schreibt, er habe „zu Ottmarsheim und Liebenstein in die 19 Jahr getreue Kirchen Dienste gethan und dabei sehr viel gelitten, da insonderheit zu Ottmarsheim durch Raub und Plünderung um das meinige gekommen.“ (8) Um diese Plünderungen zu unterbinden ließ Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden – der Türkenlouis – in Fronarbeit 1695 bis 1697 die „Eppinger Linien“ (9) errichten, eine Verteidigungslinie von Pforzheim bis Neckargemünd.
1694 wechselte Alexander Rudolph –inzwischen 52 Jahre alt - nach Weinsberg. Hier eckte er an, weil er in einem ganzen Jahr nur drei Verse aus dem Propheten Jona erklärt habe und wurde 1695 dazu vom Konsistorium vernommen.(10) Aus dem Jahr 1700 ist ein Brief Alexander Rudolfs erhalten, in dem er den Professor Schuckard in Stuttgart über die Möglichkeiten informiert alte und fremde Münzen zu erwerben. (11)
Am 28.Februar 1702 richtete Alexander Rudolf ein Schreiben an den Herzog. Wortreich zählt er die Verdienste seiner Vorfahren und der angeheirateten Verwandtschaft auf. Besonders betont er, dass zur Zeit seines Großvaters Alexander an jedem Sonntagmorgen 14 Familienmitglieder im Herzogtum das Evangelium verkündet hätten. (12) Er sei nun der letzte (13), denn sein Sohn habe zu seinem Leidwesen sein Theologiestudium abgebrochen und Mathematik studiert. Als Ingenieur sei er mit den württembergischen Truppen für Venedig nach Morea (Peloponnes) gezogen und dort am Fieber gestorben. Er bitte untertänigst, seinen Schwiegersohn Philipp Heinrich Gratianus, der in der Grafschaft Limburg Pfarrer sei, in den Württembergischen Pfarrdienst zu übernehmen.
Großbottwar, seine letzte Stelle, trat Alexander Rudolph mit 61 Jahren 1703 an. Bis zu seinem Tod am 27.August 1715 versah er seinen Dienst als Stadtpfarrer.
Sein Sterbeeintrag lautet: „Den 27. August 1715 starb der Hochwürdig und Hochgelehrte Herr M. Alexander Rudolphus Wolffhard bestverdienter und treugewesener Stadtpfarrer allhier an zwar nicht völlig ausgebrochener Wassersucht seines Alters 73 Jahr“ .“ (14)
Anmerkungen:
(1) Das Geschlecht der Grafen von Katzenelnbogen ist allerdings schon 1779 ausgestorben.
(2) Liber animarum, Geburtseintrag des Alexander Rudolph, Randbemerkung.
(3) Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStA) A 437 L Bü 2: Bittschrift des Gerichts zu Ottmarsheim an denHerzog zu Württemberg wegen Beleidigungen in einer Predigt des Pfarrers Alexander Rudolph Wolfhard daselbst, 1681 Januar 23.
(4) Stammschloss der Freiherren von Liebenstein, etwas über 2 km von Ottmarsheim entfernt.
(5) HStA Stuttgart: A 437 Bü 3, Erfüllung der kirchlichen Obliegenhheiten durch Pfarrer Alexannder Rudolph Wolfhard zu Ottmarsheim, 1686 Oktober 15
(6) Ebd.
(7) Auf der Rückseite des in Anmerkung 6 genannten Dokuments beschwert er sich über die Versandkosten einer Warensendung aus Nürnberg über Ulm. Um welche waren es sich handelte, geht aus dem Schreiben nicht hervor.
(8) Universität Tübingen: Brief Alexander Rudolphs an Herzog Eberhard Ludwig vom 28. Februar 1702, Fasz. Bl 15 (Abschrift).
(9) Das Verteidigungssytem der Eppinger Linien bestand aus einem tiefen Graben. Der Aushub wurde hinter dem Graben zu einem Wall aufgeschichtet. Der Graben selbst wurde durch zugespitzte Pfähle bewehrt. Als Annäherungshindernis waren vor dem Graben Äsre und Bäume aufgeschichtet.
(10) Landeskirchliches Archiv Stuttgart: Württembergisches Pfarrverzeichnis Nr. 833 "Wolfhard".
(11) HStA Stuttgart: A 20 Bü 159, Brief des Weinsberger Stadtpfarrers Alexander Rudolph Wolfhard an Professor Schuckard, Stuttgart bzgl. alter Münzen. Dem Anschreiben ist ein Verzeichnis der Münzen beigefügt.
(12) Otto Wolfhard hat diese Aussage überprüft und bestätigt.
(13) Im Wortlaut schreibt Alexander Rudolph: "Gleichwolen ist von dieser Familie nicht das geringste Zweiglein mehr, sexum masculinum belangend, übrig." Dieser Passus hat dazu geführt, dass Adolf Rusam in seinem "Ahnenbuch Wolffhardt" die Existenz eines badischen Zweiges der Waiblinger Wolfhard-Familie in Abrede stellte. Otto Wolfhard und Klaus Rössler haben dem entschieden widersprochen: Otto Wolfhard: Eine notwendige Korrektur zum Ahnenbuch Wolffhardt, in Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde, Stuttgart Bd. 21, Heft 8, Juni 1996. Klaus Rössler: Ergänzungen und Korrekturen zum Ahnenbuch Wolffhardt, ebd, Bd 25, 2007. Ein Blick Rusams in die relevanten Eintragungen der badischen Dokumente hätte genügt um ihn die Irrigkeit seiner Aussagen erkennen zu lassen.
(14) Zitiert nach Adolf Rusam, Ahnenbuch Wolffhardt, Seite 230.