Nobelhochzeit im Amtsstädtchen Waiblingen:
Hans Wolffhart heiratet Barbara Kühorn
Es ist wohl ein Topereignis gewesen, als Hans Wolfhard und Barbara Kühorn heirateten. Der Bräutigam, Sohn des Erhard Wolffhart (2;1), eines Ehrbaren der Stadt, die Braut, Tochter des Vogts Thomas Kühorn. Die Hochzeit wird in die Zeit 1500 bis 1505 datiert. In der Heiratspolitik der wohlhabenden Familien spielte die Wahl des "richtigen" Partners, der richtigen Partnerin, eine ebenso große Rolle wie in den patrizischen und adligen Kreisen. Selbstverständlich sollten beide Brautleute gleichen Standes sein, denn es galt, die politische, wirtschaftliche und soziale Stellung einer Familie zu sichern. Hans und Barbara erfüllten diese Voraussetzungen bestens. Der Bräutigam (*1464) wird schon 1494 als Hauseigentümer erwähnt. Sein Vater Erhard lebte damals noch, und Sohn Hans hat sein Haus wohl in frühem Alter erworben. Barbara (*1482) war für ihn eine hervorragende Partie, denn mit ihr kam das junge Paar in die oberste Schicht der Waiblinger Ehrbarkeit. Und der Schwiegervater vertraute seinem Schwiegersohn. Denn bereits im Jahre 1506 beauftragte er Hans zusammen mit Hans Kühorn, Michael Sattler und Martin Aichmann – Männer der Waiblinger Ehrbarkeit - die Überschüsse des Vogtamts an die herzogliche Verwaltung nach Stuttgart zu bringen. Dieser Geldtransport war nicht ganz ohne Risiko. Denn die Zeiten wurden zunehmend unruhiger. Es braute sich etwas zusammen im Herzogtum Württemberg. In den Dörfern und bei den Armen der Städte gärte es. Der Prunk des neuen Herzogs wurde immer üppiger, seine Kriege immer teurer, die Bevölkerung hingegen immer drückender belastet. Für Hans Wolffhart bot die Reise auch Gelegenheit, in Stuttgart einflussreiche Amtsträger zu kontaktieren.
Vier Kinder hatte das Paar: Thomas(4;1) (* um 1506), Hans(4;2) (*vor 1510), Margarethe(4.3) (*1520) und Michael(4;4)(*1515). Die Geburt der Kinder fiel in jene turbulenten Jahre, als die Bauern im Remstal mit ihrem Aufstand des „Armen Konrad“ gegen die willkürliche Besteuerung durch Herzog Ulrich rebellierten.(1) Ende Mai 1514 wollten sich die Aufständischen auf der Kirchweih in Untertürkheim versammeln und ihr Vorgehen koordinieren. Eine bedrohliche Situation braute sich zusammen. Vogt Thomas Kühorn und Vogt Gaisberger aus Schorndorf - beide waren verschwägert - wurden von der Regierung zu den Aufständischen geschickt um sie zu beruhigen (2). Dies gelang auch, zumindest vorläufig, da der Herzog die Landtage in Tübingen und Stuttgart zusagte.
In Waiblingen selbst war das Jahr 1514 ein äußerst unruhiges Jahr. Die Armen und die Ackerbürger fühlten sich mit den aufständischen Bewohnern des nahen Remstals enger verbunden als mit der regierungstreuen städtischen Oberschicht, den Ehrbaren. Die unteren Stände nannten sie „die Müßiggänger“, denn sie lebten von den Erträgen ihres Grundbesitzes oder waren reiche Fernhändler mit Wein, Getreide und Leder. Die Oberschicht ließ arbeiten. Die voraus gegangenen Hungerjahre trafen besonders die Armen hart. Es brodelte in der Stadt. Auch für Hans Wolffhart, Barbara und ihre beiden erstgeborenen Kinder war die Lage alles andere als rosig. Möglicherweise war Barbara schon mit dem dritten Kind schwanger. Aber man verhielt sich erst mal ruhig. Erst als Baden und Kurpfalz Truppen zugesagt hatten, zog die Stadtverwaltung die wahrscheinlich einzige Kanone vom Stadttor ab und brachte sie ins Schloss – eine gezielte Provokation! Daraufhin zogen über 100 Aufständische aus der Stadt auf den Kappelberg im nahen Remstal um sich am Aufstand zu beteiligen. Ihre Sympatisanten in der Stadt drohten, die Bauernhaufen in die Stadt zu lassen. Die Lage spitzte sich zu. In seiner Not schrieb der der herzogliche Haushofmeister: „Bitt ich unser fürstlich gnaden in aller undertänigkeit, uns mer lutt (=Leute) und pfert zuschicken, damit wir unser fürstlich gnaden disen flecken … behalten mögen.(3)
Nach dem überraschenden Abzug der Bauern vom Kappelberg wurden auch die Waiblinger Wortführer des Aufstands verhaftet, eingesperrt und verhört. Die Verhörprotokolle durch Vogt Thomas Kühorn sind erhalten. Weil jedoch der Aufstand in Waiblingen nie gewaltsam offen ausgebrochen war, kamen die Aufständischen hier mit Geldstrafen und Urfehden (4) davon (5).
1523, also ein Jahr vor dem Großen Bauernkrieg wird Hans Wolffhart als Richter (Mitglied des Rates) in Waiblingen erwähnt. Sein Barvermögen betrug 250 Gulden, und er erscheint in der Waiblinger Musterungsliste als tauglich zur Wehr. Auch wurde er in diesem Jahr dazu verordnet, die Zinsen aufzuschreiben, die das Esslinger Kloster St. Clara in Waiblingen zu bekommen hat. (6) Seine Schwägerin Anna war zu dieser Zeit noch in diesem Kloster, bevor sie es 1525 verließ. Die Söhne von Hans und Barbara, Thomas und Jung Hans, finden sich in der Waiblinger Musterungsliste von 1536. Beide müssen sich als erfolgreiche Geschäftsleute etabliert haben, denn Thomas Wolffhartt erscheint in der Türkensteuerliste mit einem Barvermögen von 900 Gulden, und Jung Hans kann gar 1000 Gulden aufweisen. Neben dem Besitz an Grundstücken und Gebäuden ein beachtliches Vermögen.
Vater Hans (Henslin) starb etwa 1545. Über den Tod der Barbara liegen keine Angaben vor. In dem Internetstammbaum „Mundia“ wird ihr Todesjahr mit 1563 angegeben.
Die Kühorn – Familie
Barbara Kühorn stammte aus einer bedeutenden Familie. Ihr Großvater war der vermögende Handelsmann und Hoflieferant Jakob Walther (1417 - 1503), „genannt Kühorn der Ältere und Clara Mager(1435 – 1525), seine eheliche Hausfrau, unser lieb Mitburger“. (7) Beide sind im Chor der Leonhardskirche in Stuttgart begraben. Die Kreuzigungsgruppe von 1501 vor dem Chor der Leonhardskirche ist eine Stiftung dieses vermögenden Kaufmanns und späteren Vogts. Das Werk ist eine Arbeit des spätgotischen Bildhauers Hans Seyffer (8)
Im Innern der Kirche erinnert ein Epitaph aus unserer Zeit (9) an das Stifterehepaar. Jakob Kühorn lieh selbst dem Grafen Eberhard im Bart Geld. Im Jahre 1476 bestätigte er, dass er nach und nach 2.000 Gulden über den Landschreiber zurückerhalten habe. In hohem Alter machte Jakob Kühorn drei Stiftungen: Er gründete den Schützenverein Stuttgart, stiftete die Kreuzigungsgruppe und gleichzeitig 1500 Pfund Heller für eine Brotspende an die Armen. Wöchentlich sollte ein Scheffel Mehl zu Brot verbacken werden. Im Todesjahr des Jakob Kühorn 1503 kam eine weitere Stiftung hinzu: Auf ewige Zeiten sollte jeden Samstag eine Prozession von sechs Priestern, acht Lateinschülern und dem Schulmeister um die Kreuzigungsgruppe stattfinden. Dafür sollten jährlich 12½ Gulden aus der Familienstiftung der Kühorns bereitgestellt werden.
Vater der Barbara war Thomas Kühorn (1460 bis 1525), ein Sohn des Jakob und Vogt zu Waiblingen. Er war 1480 in Tübingen immatrikuliert, 1503 ist er als Mitglied des Landtags genannt. Verheiratet war er mit Margarete von Gaisberg (∞um 1481). Beide hatten zwei Söhne und sechs Töchter. Barbara, verheiratete Wolfhard, war die Älteste. Drei Töchter, u. a. Anna, traten ins Clarissenkloster Esslingen ein.(10)
Thomas Kühorn muss ein leutseliger und humorvoller Mann gewesen sein. Walter Ludwig (11) berichtet ein Ereignis, bei dem er an Fastnacht zwei Männer in sein Hühnerhaus einquartiert und am nächsten Tag mit ihnen einen Umtrunk gehalten habe. Weniger lustig waren die Amtsgeschäfte des Vogts. Sein Vorgesetzter war der schwierige Herzog Ulrich, dessen zerrüttete Ehe mit der Kaisernichte Sabina von Bayern dazu führte, dass diese in Waiblingen eingewiesen wurde, bevor sie 1515 nach Bayern floh. Davor lag der Aufstand des „Armen Konrad“. Hier musste Thomas Kühorn die Verhöre mit den eingekerkerten Aufständischen führen und die Ergebnisse nach Stuttgart melden.
Thomas Kühorn starb am 23. August 1526, nachdem er bereits um 1515 sein Vogtamt beendet hatte. Seine Grabplatte befindet sich am Eingang der Waiblinger Michaelskirche. Wegen ihres schlechten Zustands war lange umstritten, wem das Grabmal zuzurechnen sei. Durch die Forschungen von Walter Ludwig ist diese Frage inzwischen geklärt.
Die Familie Kühorn erfreut sich bis in die Gegenwart einer zahlreichen Nachkommenschaft.
Anmerkungen:
(1) Um den Staatsbankrott zu vermeiden, wollte Herzog Ulrich eine Vermögenssteuer einführen.. Diese hätte vorwiegend die Ehrbarkeit betroffen, denn sie allein war vermögend im Herzogtum. Sie bildete doch damals schon eine mächtige Lobby, und auf ihren Druck wandelte der Herzog die Vermögenssteuer in eine Verbrauchssteuer auf Fleisch, Wein und Korn um.Diese konnten die Reichen leicht verkraften, die Armen aber hätte sie in den Notjahren jener Zeit empfindlich getroffen.Das System war perfide: Am 1.Mai 1514 wurden neue Gewichte eingeführt, die um rund 10% leichter waren als ihre Vorgänger.Diese Steuerer-höhung durch die Hintertür scheiterte, als der Gaispeter aus Beutelsbach die Gewichte in die Rems warf: "Wenn das recht ist, werden sie schwimmen!" Was sie natürlich nicht taten. Aber mit der Wasserprobe des Gaispeter war der Aufstand losgetreten.
(2) Heyd, Ludwig Friedrich: Herzog Ulrich, Bd 1, Seite 242, Tübingen 1844
(3) 500 Jahre Armer Konrad, der Gerechtigkeit einen Beistand tun, Katalog anlässlich der Ausstellung 10. Mai bis 28. September 2014, Fellbach 2014, Seite 81
(4) Die Urfehde ist ein beeidetes Versprechen, sich wegen einer Strafe nicht zu rächen. Oft musste der Delinquent auch schwören, einen Ort nie wieder zu betreten bzw. eine Stadt niemals ohne genehmigung zu verlassen.Der Bruch der Urfehde wurde hart bestraft.
(5) 500 Jahre Armer Konrad, a.a.O Seite 86
(6) W. Ludwig, SWBF Bd 19, H4 1988 S. 182
(7) Konrad Schwarz: DIe Kreuzigungsgruppe zu St. Leonhard von Hans Seyfer 1501, Hg: Forum Hospitalkirche Stuttgart o.Z.
(8) Hans Seyfer * um 1460, +1509 in Heilbronn. Der spätgotische Steinbildhauer und Holzschnitzer schuf außer der Kreuzigungsgruppe Arbeiten an der Kilianskirche Heilbronn und den Ölberg am Speyerer Dom. Weitere Arbeiten befinden sich in Brackenheim, Neckarzimmern, Neckarmühlbach, Gemmingen, Eutingen und Ellhofen.
(9) das Original fiel den Bomben des 2. Wltkriegs zum Opfer.
(10) Siehe Kapitel Anna Kühorn, Exnonne in Geldnot.
(11) Walter Ludwig: Das Grabmal des "Ehrbaren Kühorn" - ein altes Rätsel ist gelöst, in : Waiblingen in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 12, Dokumentation Michaelskirche , Waiblingen 1991, Seite 39